In den Beiträgen zur regionalen Zusammenarbeit ging es bisher um deren Management, also um die Sorge, dass das Gewünschte auch eintritt (management = making things happen). In diesem Beitrag geht es um die Führung in der regionalen Zusammenarbeit.
Zunächst einige Bemerkungen zu den Voraussetzungen für die Führung in regionaler Zusammenarbeit:
- Große Variabilität bei den Akteuren, den gewünschten Leistungen, der Art der Leistungserbringung, der Struktur des Netzwerks, der Anbindung der Führungskräfte an eine Organisation.
- Ökonomische Ziele überwiegen bei regionaler Zusammenarbeit. Dafür sind Magneten und Klebstoff (Rosabeth M. Kanther) nötig.
- In der Europäischen Union und auf der Ebene der Mitgliedsstaaten dienen die verschiedenen Zuschusstöpfe als Magneten und als späterer Klebstoff.
- Viele Akteure tragen zur Leistungserbringung bei, also große Abhängigkeit von anderen Akteuren.
- Raum- und Funktionserfordernisse decken sich nur teilweise. Es gibt Spillover-Effekte über die Region hinaus, auf andere Ebenen und in andere Bereiche. Diese lassen sich nur teilweise internalisieren. Abgrenzungen sind oft diffus.
- Das Management darf nicht nur die eigene Organisation im Blick haben, sondern muss das durch regionale Zusammenarbeit etablierte Netzwerk in den Blick nehmen. Die eigene Organisation und das Netzwerk müssen aufeinander abgestimmt werden.
- Hierarchisch aufgebaute Organisationen haben es bei regionaler Zusammenarbeit schwerer, weil die Rezeptionsebene, da werden Signale aufgenommen und zu Informationen verarbeitet, oft weit von der Entscheidungsebene entfernt ist.
- Regionale Zusammenarbeit ist nicht immer geplant und braucht deshalb keiner gemeinsamen Strategie zu folgen. Vielmehr kann sie sich durch Zufall (serendipity) ergeben und im Erkennen ihrer Vorteile zu Strategien bei den einzelnen Akteuren führen, die sie festigen und stärken. Man spricht insoweit von „responsive process thinking“ (Ralph D. Stancey/chr. Mowles).
- Regionale Zusammenarbeit folgt den Regeln der „Loosely Coupled Systems“, in denen Befehlen und Befolgen kaum Wirkung zeigt, sondern Aufeinanderachten, Aufeinanderzubewegen, Harmonisieren von Aktionen, wo also Ermessensausübung und Verdeutlichung der Sinngebung angesagt sind (Karl E. Weick)
- Regionale Zusammenarbeit ist meistens mit der „Exit-Option“ verbunden. Der Exit kann offen a là Brexit geschehen oder auch klammheimlich, in dem eine Organisation ihre Zusammenarbeit einfach einstellt.
- Regionale Zusammenarbeit in der häufigeren losen Form ist auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen. „Zuckerbrot und Peitsche“ bzw. „sticks and carrots“ reichen nicht aus, bzw. sind nur bedingt effizient und Zuckerbrot bzw. Karotten effizienter als Peitsche oder Knüppel.
- Die Governance der einzelnen Akteure muss diesen Voraussetzungen gerecht werden.
Die Konsequenzen für die Führung sind vielfältig und gehen soweit, dass man den Singular in Frage stellen und von Führungen sprechen kann.
Das soeben genannte Vertrauen erlaubt beispielsweise größere Nonkonformität. Verhaltensnormen in einem Unternehmen mögen konservativ sein, in der bunten Welt regionaler Zusammenarbeit sind aber diverse Normen erlaubt oder zumindest toleriert. Ein klar gegliedertes Weltunternehmen mit klaren Zuständigkeiten mag mit einer auf Konsens aufbauenden NGO zusammenarbeiten. Nonkonformität verlangt Toleranz, hier sowohl vom Weltunternehmen als auch von der NGO.
Wer einmal in einem Rathaus tätig war, wird sich daran erinnern, dass es einem Glashaus gleicht, weil jeder Gedanke, kaum ausgesprochen, den Weg in die Öffentlichkeit findet. Wie anders geht es hinter dem Fabriktor oder hinter dem Empfang in einem Bürogebäude eines Unternehmens zu. Für jeden im öffentlichen Bereich hat die Achtung des Gleichheitssatzes eine fundamentale Bedeutung, anders im privaten Bereich. Führungskräfte leben in unterschiedlichen Welten. Diversität ist also angesagt. Bei der Diversität stehen wir vor einem Paradox: Haben die Führungskräfte überhaupt nichts miteinander gemein, dann wird Zusammenarbeit unmöglich. Sind sie zu konform, dann können keine neuen Formen der Zusammenarbeit entstehen. Die komplexe und eher responsive Prozesstheorie, die der Lage am ehesten gerecht wird, ist von der Systemtheorie mit der Intervention als vorrangiger Handlungsoption ein Stück entfernt. Es geht mehr um Kommunikation, um Beeinflussung von sich herausbildenden oder bereits etablierten Narrativen für regionale Entwicklung und weniger um konkrete Einflussnahmen.